Aus: Ohrekreis Volksstimme, September 2001
Ehemalige Zwangsarbeiter:
17000 Mark Spendengelder im polnischen Lodz übergeben
Ohrekreis/Lodz - 62 Jahre nach dem Beginn des zweiten Weltkrieges
übergaben fünf Mitglieder des Altmark-Freundeskreises Spenden
an ehemalige NS-Zwangsarbeiter und setzen damit ein Zeichen für
Völkerverständigung und Versöhnung.
Das Vergangene ist nicht tot, es ist noch nicht einmal vergangen. Das
erfuhren die Mitglieder des Altmark-Freundeskreises für
NS-Zwangsarbeiter, die am 1. September 2001 in der katholischen
Maximilian-Kolbe-Kirche in Lodz im Auftrag von über 50 Spendern jeweils
1000 Mark an 17 bedürftige ehemalige NS-Zwangsarbeiter übergaben.
Ein Tropfen auf den heißen Stein in einer Stadt, in der heute noch
rund 5000 einstige Zwangsarbeiter und 1000 einstige KZ-Häftlinge leben.
Aber auch ein Zeichen später Wiedergutmachung und Versöhnung, wie
Hanne-Lore Nehrke aus Salzwedel, Pfarrer i.R. Hans-Jochen Tschiche
aus Samswegen sowie Pfarrer i.R. Georg Salzwedel aus Dannenberg
betonen. Die Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, speziell jene
zu unterstützen, die nicht die nötigen Papiere vorweisen können,
um vom Fonds der deutschen Wirtschaft berücksichtigt zu werden. "Viele haben
ihre Papiere vernichtet. Denn wer während des Krieges für die
Deutschen gearbeitet hat, galt in der Heimat als Verräter. Für viele Zwangsarbeiter
führte der Weg aus Deutschland weiter ins Arbeitslager nach Russland",
erklärt Zygmunt Kauc, der nach Zwangsarbeit und KZ-Haft selbst bis
zu seinem 30. Lebensjahr in Russland Schwerstarbeit leistete. Er weiß
auch, während KZ-Häftlinge durch einen Zuschuss zur Rente abgesichert
sind, leben viele ehemalige Zwangsarbeiter in Polen oft am
Existenzminimum. Anders als KZ-Häftlinge haben Zwangsarbeiter nur
eine Mindestrente.
Von umgerechnet 400 Mark monatlich bleiben da nach Abzug von Miete
und Energiekosten kaum mehr als 100 DM zum Leben. Unterstützung
fand der Freundeskreis von Beginn an in Zygmunt Kauc, Vertrauensmann
des Maximilian-Kolbe-Werkes in Lodz, das überlebende KZ-Häftlinge
in Polen und ganz Osteuropa materiell und moralisch unterstützt. Eine
Arbeit, die durch ehrenamtliche Vertrauensleute, vor allem ehemalige
Häftlinge wie Kauc, mit Leben gefüllt wird. Für den 77-jährigen
Polen, der bei der Übergabe der Spendengelder als Übersetzer fungierte,
ist sein Engagement selbstverständlich. ,,Ich helfe gern. Ich weiß, wie
wichtig die Arbeit ist, weil ich selbst ein Häftling bin", erklärt er bescheiden.
Die 17000 Mark Spendengelder kamen aus dem gesamten norddeutschen
Raum, darunter 4000 Mark Einzelspende einer Lehrerin aus Oebisfelde
und 5000 Mark von der großen alten Dame der FDP, Hildegard
Hamm-Brücher, aus dem Fonds der Theodor-Heuss-Stiftung. Die
Initiatoren des Freundeskreises, Hans-Jochen Tschiche und Georg
Salzwedel, unterstreichen: ,,Der 1. September 2001 sollte ein Zeichen
des Neuanfangs, der freundschaftlichen Beziehungen und der
Versöhnung sein." Ihnen und den anderen privaten Spendern in
Deutschland ist klar: es geht nicht nur um Geld, sondern um
Wiedergutmachung und Zuwendung für eine Menschengruppe, der zum
persönlichen Leid der Verschleppung über Jahrzehnte der Makel
des Verrates am eigenen Land anhaftete.
Wer die Arbeit des Freundeskreises für NS-Zwangsarbeiter unterstützen
möchte, wende sich an: Hans-Jochen Tschiche Tel. 039202/ 66884.
Von Christel Schwerin
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