MDR.DE Nachrichten, 05.08.2004:
 

Hartz IV
Bürgerrechtler sehen Chance für "neue Bewegung"

Ostdeutsche Bürgerrechtler sehen in den wachsenden Protesten gegen die Hartz-Reform die Chance einer neuen Bewegung "von unten". Der Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche, Christian Führer, sagte am Donnerstag, unter den Menschen herrsche eine große Unruhe und Unsicherheit.

Der Druck von der Straße sei ganz wichtig angesichts einer "hilflosen Politik". Wie im Herbst 1989 bedürfe es einer ebenso großen Bewegung, um den inneren Frieden in Deutschland herzustellen. Der Pfarrer kritisierte die Politik für ihre "Schnellschüsse" zwischen den Wahlen. Langfristige Konzepte habe keine Partei mehr. Das führe zu einem verheerenden Stillstand.

Tschiche: Freiheit und soziale Rechte gehören zusammen
Auch der Magdeburger Bürgerrechtler Hans-Jochen Tschiche sieht Parallelen zwischen den Montagsdemonstrationen von 1989 und den jüngsten Protesten gegen Hartz IV. Damals sei es um demokratische Freiheiten gegangen, heute um soziale Rechte. Der Mitbegründer des Neuen Forums und spätere Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag von Magdeburg betonte, dass Freiheit und soziale Rechte zusammengehörten. Die Menschen sollten es sich nicht gefallen lassen, aus der Gesellschaft und von der Zukunft ausgeschlossen zu werden. Wie lange die Demonstrationen anhielten, sei aber schwierig einzuschätzen.

Demos in weiteren Städten
Unterdessen setzte sich der Protest gegen Hartz IV und Sozialabbau fort. In Aschersleben in Sachsen-Anhalt forderten am Donnerstag rund 1000 Demonstranten eine Rücknahme der Reform. Montagsdemonstrationen sind zudem in weiteren Städten geplant. Nachdem Initiativen in Magdeburg und Dessau den Anfang gemacht hatten, soll am kommenden Montag auch in Hamburg eine Montagsdemonstration etabliert werden. In Berlin bereiten die Globalisierungsgegner vom Netzwerk Attac für die kommende Woche ebenfalls Protestaktionen vor. Für den 16. August ruft der DGB in Halle zu einer Kundgebung und Demonstration auf. Für den 30. August ist in der Leipziger Nikolaikirche, dem Ausgangsort der Montagsdemonstrationen in der DDR im Herbst 1989, ein Friedensgebet mit anschließender Demonstration geplant. In Erfurt soll künftig immer donnerstags demonstriert werden.