17. Juli 2006

Leserbrief

Betr.: Buchverbrennung in Pretzien

Die Geschichte um die Bucherverbrennung durch rechtsextreme Mitglieder des "Heimatbundes Ostelbien e.V." in Pretzien nimmt immer skandalträchtigere Formen an. Sechs Beamte des Verfassungsschutzes wohnen im Dorf, einer ist sogar Mitglied des Gemeinderates, und keiner will vorher etwas gemerkt haben. Auch der ehemalige Innenminister, wohnhaft im selben Ort, weiß von nichts. Dabei wurde der in Rede stehende Verein in den Verfassungsschutzberichten von 2000 und 2001 erwähnt. 2002 wurde er nicht mehr genannt. Dafür ließ sich der damalige Innenminister, der von 2002 bis 2006 das Ressort führte mit Mitgliedern des Vereins fotografieren.

Zum Himmelfahrtstag, also Wochen früher, randalierten bei einem Zeltplatzfest im nahen Plötzky die Rechtsextremen aus dem Pretziener Verein mit verfassungsfeindlichen Parolen und Gesten. Die herbeigerufene Polizei suchte nur einen Schrankenbeschädiger und nahm eher zufällig noch einen Hitlergruß Zeigenden mit.
Heute behaupten die örtlichen und überörtlichen Verantwortlichen, dass sie nichts von diesen Vorgängen erfahren hätten. Im ländlichen Bereich ist das einfach undenkbar.

Der Bevölkerung wurde vorgeführt, dass die Neonazis ihre gut gemeinten Integrationsversuche für ihre Zwecke instrumentalisiert haben. Die Auflösung des Vereins und der Versuch, über den Vorgang zu schweigen, um Zukunft zu gewinnen, wird sich als fataler Irrtum herausstellen. Die Demokraten in beiden Orten sollten sich mit den raffinierten Methoden öffentlich auseinandersetzen.

Die politische Führung im Lande ist wie immer tief betroffen und ergeht sich in symbolischen Buchlesungen. Dabei sollten sie zuerst klären, warum ihre Beamten vor Ort das Spiel der berühmten drei Affen spielten: Sie sahen nichts, sie hörten nichts, sie sagten nichts.
 
Hans-Jochen Tschiche
Satuelle

zurück