19. Oktober 2008

Leserbrief

Betr.: Bankenkrise

Eigentlich muss man kein Fachmann sein, um den katastrophalen Ausgang von hemmungslosen Spekulationen auf dem Finanzmarkt vorauszusehen. Aber große Banken und erfahrene Banker setzten wie im Rausch auf Gewinne und sahen nicht die drohenden Verluste. Wie die Lemminge jagten sie miteinander auf den Abgrund zu. Profitgier macht offensichtlich blind. Die arrogante Clique, die sich als moderner global player verstand, ließ die Mahner als antiquierte Nörgeler der vergangenen Zeiten erscheinen. Rätselhaft bleibt, warum Fachleute wie mit Blindheit geschlagen riesigen Schaden auf ihrem Fachgebiet anrichten können. Offensichtlich ist die Sehnsucht, ein Alpha-Tier in der Finanzwelt zu sein, stärker als die Bereitschaft sich für eine auf das Gemeinwohl ausgerichtete Haltung zu entscheiden. Unterdessen haben diese Leute, die Weltwirtschaft in eine Gefahrenzone getrieben, die die Politik zum Handeln zwingt. Mit märchenhaften Summen bürgen die Staaten dafür, dass die Wirtschaft am Laufen bleibt und die Bankenwelt nicht kollabiert. Dieser Auftritt der öffentlichen Hand in schwierigen Zeiten bedeutet, dass der fürsorgliche Staat eben nicht auf den Schrottplatz der Geschichte gehört, sondern die bleibende Aufgabe hat, Gefahren abzuwehren und menschenwürdiges Leben seiner Bürgerinnen und Bürger zu befördern.

Wenn nun schon die Bundesrepublik mit einer einer halben Billion Euro als Bürgschaft für den schlimmsten Fall bereit steht, dann sollten auch Bedingungen für diese Bereitschaft an die Verursacher gestellt werden:

  1. Ohne Personalwechsel der Verantwortlichen keine Bürgschaft.
  2. Ohne einen staatlichen Beauftragten keine Ausreichung von Mitteln.
  3. Bei Verweigerung dieser Bedingungen: Verstaatlichung der Institute.
  4. Rechtliche Prüfung durch die Bundesbehörden, ob dieses Verhalten der Banker in Zukunft strafrechtlich verfolgt werden kann.
  5. Nachdrückliche Überlegung, ob die hochgelobte Privatisierung im Bereich der Daseins-Fürsorge (z.B. Krankenhäuser, Bahn etc.) nicht beendet werden sollte. Mit Einrichtungen in diesem Bereich kann man kein Profit erwirtschaften, ohne die Angebote zu beschränken. Schließlich haben die Schwachen eines Gemeinwesens ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein. Wenn man schon den einst so mächtigen Geldinstituten und ihren Mitarbeitern eine Auffangstellung bereit stellt, so sollte erst recht mit der Diffamierung des Sozialstaates aufgehört werden. Die Idee eines demokratischen Sozialismus ist mitnichten erledigt, sondern gilt angesichts dieser Erfahrungen als Modell der Zukunft.

 
Hans-Jochen Tschiche
Satuelle

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