Volksstimme, 23. November 2009
Leserbrief
Betr.: "Verschwiegene Front von ehemaligen Funktionsträgern"
Die verschwiegene Front der ehemaligen Funktionsträgern der DDR schließt
eine Versöhnung mit ihnen aus, erklärt Gerhard Ruden, der Landesbeauftragte
für die Stasi-Unterlagen. Er kritisiert mit diesem Satz Ilse Junkermann, die neue
Landesbischöfin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands. Sie hätte sich
erst einmal bei den Opferverbänden und den Aufarbeitern der SED-Diktatur kundig
machen müssen, bevor sie als Westdeutsche auf der Synode ihrer Kirche in der
Lutherstadt Wittenberg eine differenzierte Aufarbeitung der DDR-Geschichte und eine
Versöhnung mit den Systemnahen dieses Staates forderte. Er, Ruden, sei auch für
Versöhnung, jedoch nicht ohne Gegenleistung.
Versöhnung verlangt aber keine Gegenleistung im Voraus. Sie ist ein Geschenk, das
man sich nicht erwerben kann. Selbstgerechte, die ganze Menschengruppen in Schubladen
der Verurteilung ablegen, werden von tiefsitzendem Hass gesteuert. Hass kennt keine
Versöhnung, engt das eigene Leben ein und versteinert die Seele. Wer von uns in
der DDR gelebt hat, ist mehr oder weniger Teil ihrer dunklen Seite. Der Evangelist
Johannes lässt Jesus sagen: Wer unter Euch ohne Sünde ist, werfe den ersten
Stein. Versöhnung wächst auf dem Boden der Demut, sie hofft gegen alle
Erfahrung, dass Menschen sich ändern können. Sie erzeugt ein Klima des Vertrauens,
so dass sie sich öffnen und sich ihrem Irrweg stellen können. Sie löst
die Verkrampfung im Umgang mit Funktionärsträgern. Sie schaut auf den Einzelnen
und gibt ihm eine neue Chance.
Natürlich sind selbstgerechte Betonköpfe kaum zu erreichen, aber sie gab es zu
allen Zeiten. Ihre DDR-Vertreter sind trotz aller wilden Verschwörungstheorien keine
Gefahr mehr für die ostdeutsche Gesellschaft.
Hans-Jochen Tschiche
Satuelle
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