Leserbrief
Betr.: "Junkermann sollte mit den Opfern reden" vom 09.12.2009
Bei der ganzen Diskussion um den Synodalbericht der Bischöfin Junkermann habe
ich den Eindruck, dass ihre differenzierten Ausführungen nicht im Wortlaut zur
Kenntnis genommen worden sind.
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Der Ruf zur Versöhnung ist nicht mehr allein die Äußerung einer
unerfahrenen Landesbischöfin aus dem Westen. Die Synode – das kirchliche Parlament
der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands – hat diesen Passus wie auch ihren ganzen
Bericht zustimmend verabschiedet.
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Versöhnung schaut auf den Einzelnen. Sie meidet die Einordnung ganzer Menschengruppen
in Schubladen. Sie ist keine Schlussstrich-Ideologie. Sie geht davon aus, dass jeder
Mensch seine Chance bekommen muss, um ihm den Weg zur Umkehr zu eröffnen. Wer sich
versöhnen will, geht auf die beschuldigte Person zu und wartet nicht auf die Ankunft
des Bußfertigen.
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Versöhnung ist eine Grunderfahrung menschlicher Existenz. Sie kann bei Nichtchristen
nicht anders aussehen als bei Christen.
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Die Diskussion um die Versöhnung will das Leiden der Opfer nicht wegreden. Aber
für die Mehrheit der Menschen in der DDR war das Leben in diesem Land nicht
ausschließlich eine schreckliche Zeit.
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Traumatisierte Opfer von politischer Willkürherrschaft fühlen sich nach dem
Systemwechsel oft verraten und unbeachtet. Sie fürchten, dass man ihr Leiden vergisst
und ihre Vergangenheit durch einen Beschluss abhanden kommt.
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Traumatisierung ist eine seelische Erkrankung, die den Betroffenen festlegt auf seine
schlimmen Erfahrungen, die sich wie ein schmerzendes Mal in seine Seele eingebrannt hat.
Selbst wenn man alle Verantwortlichen von einst wegsperren würde, würde der
Traumatisierte seine Erkrankung nicht loswerden. Ich bin kein Psychologe aber ich glaube,
hier braucht der Einzelne dringend einen Fachmann, der ihn zurück in den Lebensalltag
führt. Dafür müssten Staat und Gesellschaft finanzielle Mittel bereitstellen.
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Die Opfer sollen in die Lage versetzt werden, sich von den Prägungen ihrer Seele
durch ihre Peiniger frei machen zu können. Die Arbeit der Opferverbände
empfinde ich als sehr wichtig, aber im Augenblick habe ich durch ihr öffentliches
Auftreten den Eindruck, dass sie dazu beitragen, die Verbitterung und die
Niederlagengefühle bei den Betroffenen zu konservieren. Ich würde mich sehr
freuen, wenn ich mich irre.
Hans-Jochen Tschiche
Satuelle
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