Leserbrief

Betr.: Streit um die Lehrerfortbildung im Roten Ochsen

In der Weimarer Republik gab es bis weit in das bürgerliche Lager der Deutschen eine gesellschaftliche Atmosphäre, die es möglich machte, dass die Nationalsozialisten durch Wahlen und Koalition an die Macht kam. Diese Haltung der konservativ-national-bürgerlichen Politikelite verwandelte Europa in ein rauchendes Trümmerfeld und ein grauenvolles Totenhaus.
 
Versatzstücke dieser rassistischen und nationalistischen Ideologie wabern auch heute noch im Gedankengut einer beachtlichen Minderheit des deutschen Wahlvolkes. Der Einzug der Rechtsextremen vor allem in die lokalen Parlamente muss den Demokraten ein Warnungszeichen sein. Die Abwehr bedarf einer großen Anstrengung. Die Kommunisten haben in Deutschland nie eine Chance gehabt, durch Wahlen an die Macht zu kommen. Wenn sie aber in der Nachkriegszeit in Westeuropa zum Juniorpartner der Regierenden wurden, war die Demokratie in diesen Ländern nie in Gefahr. Das Sozialismusmodell Russlands entstand im Bürgerkrieg und gründete sich auf Waffen und nicht auf Wahlen. Es gelangte nach Ostmitteleuropa als sowjetischer Export und verlangte seine Stabilität allein den Bajonetten. Für eine politische Wiedergeburt für diese Form gibt es keine Anzeichen. Die heutige Linke und auch ihre kommunistische Plattform sind nicht das trojanische Pferd, durch das die Feinde der Demokratie in der heutigen Demokratie zur Herrschaft gelangen.
 
Die islamische Minderheit in Deutschland sollten wir nicht durch einen generellen Terrorismusverdacht in eine noch größere Isolierung drängen. Gewalttätige Extremisten aus ihren Reihen empfinden auch sie als Bedrohung und nicht als Erfüllung von Hassträumen. Wenn über die Tagung im Roten Ochsen gestritten werden muss, dann um den differenzierten Umgang mit diesen drei Gruppen. Man kann sie nicht in einen Extremismustopf werfen und sie zu einem politischen Einheitsbrei verkochen. Der Streit um den Diktaturenvergleich ist eher ein Nebenkriegsschauplatz. Wer die Gelder im Kampf gegen den Rechtsextremismus kürzt, um einen nebulösen Extremismustopf zu bedienen, stärkt die rechte Szene und vermittelt ihr das Gefühl, dass der Kampf gegen sie nicht mehr so ernst gemeint sein kann. Es stellt sich die Frage, ob die bürgerliche Regierung die Unterschiede verwischen will und auf den vorrangigen Kampf gegen den Rechtsextremismus verzichtet. Manche Signale sprechen dafür. In diesem Zusammenhang ist die Tagung im Roten Ochsen kritisch zu betrachten.

Hans-Jochen Tschiche
Satuelle