Leserbrief

Betr.: Artikel über Grüne Spitzenkandidaten

Bei der Vorstellung der Spitzenkandidaten von Bündnis 90/ Die Grünen wird angenommen, dass 1998 wahrscheinlich die Beteiligung an der von der damaligen PDS tolerierten Minderheitsregierung aus SPD und Grüne den Wiedereinzug in den Landtag verhindert habe. Dahinter steckt das Vorurteil: Wer sich mit den so genannten Schmuddelkindern abgibt, den bestraft der Wähler. Alle ansderen ostdeutsche Flächenländer hatten schon 1994 keine bündnisgrünen Fraktionen mehr im Parlament, obwohl sie nicht mit den Schmuddelkindern gespielt hatten.

Im Februar 1998 wurde der Partei in Umfragen zu den Landtagswahlen 1998 7 bis 8% vorausgesagt. Im März beschloss der als Hilfe gedacht Bundesparteitag der Grünen in Magdeburg, dass der Benzinpreis in mehreren Schritten auf 5DM erhöht werden solle. Die Umfragen stürzten daraufhin ab und die Partei kam nicht wieder in den Landtag. Sie hatte sich selber ins Knie geschossen.

Als die SPD und die Bündnisgrünen 1998 die Bundesregierung stellten, sahen ausgerechnet sie sich gezwungen, ein Tabu zu brechen. Sie schickten deutsche Soldaten in den Kosovo-Krieg. Darauf begann bundesweit der Abstieg der Bündnisgrünen. Sie verloren Mitglieder und Mandate. Erst nach dem Machtverlust 2005 setzte allmählich eine Erholung ein. Der jetzige Höhenflug, der auch die ostdeutschen Bundesländer erreicht, verspricht auch für die ostdeutschen Flächenländer Wahlerfolge. Man kann davon ausgehen, dass am Ende diesen Jahres in allen Landtagen im Osten bündnisgrüne Fraktionen sitzen. Allerdings wird hier die Partei nie so stark sein, wie in den urbanen Zentren Westdeutschlands.

Hans-Jochen Tschiche
Satuelle