Wort der Woche

Kalte Zeiten

Es ist kalt. Der Winter hat uns fest im Griff und noch ist kein Ende abzusehen. Aber wir wissen: Der Frühling kommt bestimmt. Die Sonne wird uns wieder wärmen.
 
In unserer Gesellschaft breitet sich eine soziale Kälte aus. Keine Erwärmung ist zu erwarten. Im Gegenteil es wird immer frostiger. Die Hartz IV-Empfänger sind davon besonders betroffen. Sie leben draußen vor der Tür. Zwar muss niemand hungern in dieser Republik, aber das Leben der Betroffenen ist sehr eingeschränkt. Das soziale Netz ist ausgespannt, aber viele fallen durch die großen Maschen. Unterdessen laufen Politiker herum, die dieses Netz als Hängematte diffamieren, in dem sich der faule Bodensatz der Bevölkerung räkelt. Sie sollen endlich für Billiglöhne arbeiten und nicht Staatsknete mampfen, sagen sie. Eine Kette von Demütigungen wartet auf alle Menschen, die ihre Arbeit verlieren. Massenarbeitslosigkeit verschwindet nicht dadurch, dass man das Arbeitsamt in „Agentur für Arbeit“ umbenennt. Schnell schmilzt alles dahin, was sich Menschen fürs Alter aufgespart haben. Sie müssen sich bloßmachen vor der Verwaltung.
 
Die Würde die Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Aber offensichtlich gilt dieser Grundsatz nicht für die Schwachen und Verlierer. Armut wuchert immer weiter im Lande und macht die Betroffenen zu Aussätzigen.
 
Ich bin Christ und mag dieses Treiben nicht schweigend hinnehmen. Für den Februar gibt es einen Monatsspruch aus der biblischen Tradition, der mich in seinen Tagen begleitet: „Die Armen werden niemals ganz aus Deinem Land verschwinden. Darum mache ich Dir zur Pflicht: Du sollst Deinen Not leidenden und armen Bruder, der in Deinem Lande lebt, Deine Hand öffnen.“ So lässt der Verfasser vom 5. Buch Mose im Kapitel 11 Vers 5 Gott reden. In der Neuzeit soll diese Aufforderung durch einen Solidarpakt verwirklicht werden. Aber aus der geöffneten Hand ist eine geballte Faust geworden. Leistungsdruck und Stress, Vergötzung des Wachstums bestimmen unser Arbeitsleben und zunehmend auch den Alltag. Der Wahn des Wachstums um jeden Preis ist ein Irrweg, den wir immer wieder beschreiten. Er lässt uns vergessen, dass hier und heute Jeder ein geliebtes Kind Gottes ist oder anders gesagt: Die Würde des Menschen war, ist und muss in alle Zukunft unantastbar sein. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Er muss Zugang haben zu allen Bereichen des Lebens, die es erst erfüllt und lebenswert machen. Lasst uns unsere Stimme erheben.

Hans-Jochen Tschiche
Satuelle

zurück