Volksstimme, 13.07.2002

Der Oppositionsgedanke saß fest

Bündnis 90/Die Grünen, für die Hans-Jochen Tschiche im Ausschuss saß, setzten sich für den Verfassungsentwurf des Runden Tisches ein und stimmte gegen das Kompromisswerk.

Volksstimme: Ihre Fraktion hat 1992 gegen die Landesverfassung gestimmt. Warum?

Hans-Jochen Tschiche: Wir wollten auf bestimmte Punkte hinweisen. Die Verfassung an sich war dadurch nicht gefährdet, die ZweiDrittelMehrheit stand ja. Da war erstens der Streit um die sozialen Menschenrechte, die bei den Staatszielen und nicht bei den Grundrechten notiert sind. Vielleicht ist es wirklich Träumerei, aber wenn die Welt gerecht wäre, wären die sozialen und die Freiheitsrechte gleichrangig und einklagbar. Der zweite Punkt war die sprachliche Gleichstellung von Mann und Frau. Wir hätten ja auch die weibliche Form in die Verfassung schreiben können und unten mit einem Stern kennzeichnen, dass auch die Männer mitgemeint seien. Drittens hätten wir die Verfassung gern dem Volk zur Abstimmung gestellt. Dann wäre sie - als vorläufige Version - bei den Landtagswahlen 1994 bestätigt worden. Dann gab es viertens die Hürden für die Einflussnahme des Volkes, die wir gern niedriger gesetzt hätten.

Volksstimme: Würden Sie heute genauso handeln?

Tschiche: Da bin ich unsicher. Höppner und Becker haben uns Grüne kräftig umworben, weil wir den Widerstand symbolisierten. Sicher hätten wir zwei oder drei unserer Punkte, etwa niedrigere Schranken für die Einflussnahme des Volkes durchsetzen können, wenn wir kompromissbereit gewesen wären. Damals saß aber der alte Oppositionsgedanke bei vielen von uns noch so fest. Wir wollten die Politiker eher kritisch begleiten als selbst Politik zu machen.

"Unsere Verfassung
rechnet mit
mündigen Bürgern"

Volksstimme: Was entdecken Sie heute als positiv an der Landesverfassung?

Tschiche: Mir gefällt sehr die Festschreibung der Freiheitsrechte. Das war es ja, was wir in der DDR vermissten. Unsere Landesverfassung rechnet mit mündigen Bürgern, ist ein Gegendokument zu einem bevormundenden Staat. Auch dass nicht zufällige einfache Mehrheiten die Verfassung umschreiben können, ist vernünftig.

Volksstimme: Würden Sie - abgesehen von ihren ursprünglichen Kritikpunkten - heute noch andere Dinge ändern?

Tschiche: Eventuell könnte man dem einen Riegel vorschieben, dass Abgeordnete während einer Legislaturperiode ihre Fraktion wechseln. Die meisten werden als Mitglied einer Gesamtpartei gewählt, die den Wählern was versprochen hat. Da sollte man seinen Sitz für jemand anderen aus der alten Partei freimachen. Das hätte zum Beispiel Joachim Auer betroffen, der in einer Legislaturperiode mehrfach die Partei und die Fraktion gewechselt hat.

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